viva la muerte, abajo la inteligencia

vergesst geburtstage und merkt euch todesdaten.

 

und in abwandlung von f.n.: was uns nicht tötet, wird eines tages bereuen müssen, es nicht getan zu haben.

 

"die im kampf getöteten werden von göttern und menschen geehrt." (herakleitos, fragment nr.117)

die postmoderne begünstigte in den westlichen wohlfahrtsstaaten die konstituierung einer antiheroischen zivilgesellschaft, welche sich beharrlich darin verweigert, gewalt, krieg und tod zu denken, wodurch einem zurückschrecken vor dem äußersten einsatz der notwendigen politischen mittel auch unter verlusten sowie der bedingungslosen durchsetzung des progressiven politischen willens abendländischer universalien zum wohle und der befreiung des menschengeschlechts vorschub geleistet wurde und wird. oftmals sehen wir den opferdiskurs bereits in gang befindlich, breit gefächert und entfaltet, bevor noch erste verluste zu beklagen wären. es ist aufgabe des kämpfenden menschen, d.h. des mit revolutionärem bewußtsein agierenden politen, dieser unseligen entwicklung gegenzusteuern.

unter biologischen und physiologischen gesichtspunkten ist der tod ein zwingendes ergebnis chemischer prozesse in ihrer dialektik von aufbau und abbau, synthese und zerfall, und somit vorerst für alles lebende vom einzeller bis zum hochkomplexen menschlichen organismus als ereignis unabwendbar. für alles lebende, dh. für jegliches lebewesen bleibt bezüglich seiner daseinsweise grundlegend die frage nach dem fortbestand seiner existenz, dh. ob seine existenz weiterhin wirksam werden kann oder ob diese physisch aufgehoben wird. im politischen und gesellschaftlichen bereich ist der tod indes ein durchaus kontingentes im sinne von nicht-notwendig (nicht im sinne von zufällig!). er ist hierbei i.d.r. verbunden mit und resultat einer prozesshaften anwendung von gewalt im sinne von zwangs- und sanktionsmacht. 

mit der ausbreitung der postmodernen wohlstandsgesellschaft ging ein kollektives verdrängen dessen einher, was wir als die ultima ratio et factio allen politischen bemühens und jeglichen daseins schlechthin, soweit leben ein prozeßhaftes werden und vergehen bleibt, erfassen sollten: gewalt und tod. solange biotechnik und gentechnologie den lebenden menschen nicht der vollkommenen unsterblichkeit und unverwundbarkeit überantwortet haben, kann potentiell weiterhin ein jeder einen jeden schädigen, überwinden, töten (hobbes). die latente und manifeste "todesmacht von menschen über menschen" (popitz) als eine option menschlichen handelns wird auch in naher zukunft das leben und die geschichte des menschengeschlechtes als anthropologische, psychische, gesellschaftliche und politische größe begleiten und sich als ein mögliches mittel praktischer konfliktlösung anbieten. die einsicht in die tatsache und die möglichkeiten von gewalt und tod befördert die bisher historisch erfolgreiche dialektik von wohlwollen und sanktionsmacht (axelrod) und bleibt so vorerst grundlage aller möglichkeiten politischer übereinkunft und gesellschaftlicher kompromißfähigkeit.

ars moriendi (I):

sehr richtig betont yamamoto tsunetomo, bushi und zen-mönch, in seiner schrift hagakure, daß das leben eines kämpfers lediglich einen augenaufschlag währt und es somit falsch wäre, es mit dingen zu verbringen, welche seinem stande und seiner person unangemessen sind. wir zählen nicht zu jenen, welche um einer vollen schalen reis willen ihre wahre berufung vergessen. deshalb ist es sowohl dem kämpfer, als auch dem vernunftgeleiteten menschen anzuraten, so zu handeln, als sei jede seiner taten die letzte ihm mögliche und der fortgang aller dinge hinge davon ab.

hat der kämpfende mensch erst einmal durch selbstdisziplin und eingehende reflexionsprozesse verinnerlicht, daß es durchaus dinge gibt, für die mit dem leben einzustehen lohnt und wird er sich gewahr, daß der tod ihn zu jeder stunde von seinem posten abberufen kann, so wird er fortan in geistiger klarheit, persönlicher freiheit und seelischer ausgeglichenheit schöpfen und leben können aus dem dotter des leviathan in ständiger bereitschaft und vollendung. 

ars moriendi (II):

der tod, neben liebe und gewalt die letzte macht, welche alle menschen egalisiert, ist allgegenwärtig - zu jeder stunde kann er einen jeden von uns ereilen, unser dasein beenden und auch unser leben vollenden, sofern wir z.b. gemäß den prinzipien des bushi-do (yamamoto tsunetomo) und der stoa (seneca, cicero) die uns gegebenen möglichkeiten innerhalb unseres bescheidenen erdenaufenthaltes ausgeschöpft haben und im frieden mit uns selbst wie auch im einklang mit unseren mitmenschen ohne reue bereit sind, den tod zu geben, den tod zu nehmen. uns in aussichtsloser situation den tod in würde zu geben oder sich ihm bewußt in einem letzten kampfe zu stellen ohne aussicht auf überleben, soll nicht nur unseres lebens letztes kapital (ernst jünger), sondern vielmehr unsere letzte tat sein: als ein vollzug durch den vernunftbegabten menschen in autonomer selbstbestimmung und souveräner willensentscheidung, aus persönlicher freiheit und in einsicht in das für den menschen unabwendbaren und schicksalhaften. so soll es ein ziel aller geistes- und charakterbildung sein, dem tod durch eine vita activa (hannah arendt) und immer wiederkehrende reflexion auf denselben zu begegnen in ruhe und sammlung, in seelenfrieden und gelassenheit (nitobe inazo).

niemand weiß, ob etwas substantielles, geistiges, seelisches, höhergerichtetes das erdendasein des menschentieres überdauert - aber in der spanne unseres lebens ziehen wir alle über die erde als erkennende und duldende, als krieger des geistes und als kämpfer für die grundlegenden werte des menschseins. so überhaupt etwas uns überdauert, sei es in einem jenseits (was eher unwahrscheinlich), sei es in der prognostizierbaren fortdauer der menschlichen gesellschaft, kann dies nur substantieller d.h. geistiger natur sein und muß von allen akzidentiellen äußerlichkeiten absehen. sind wir doch alle potentielle träger der beim austritt des menschen aus dem tierreich entfachten fackel der erkenntnis und der mensch, da er geist ist, darf und soll sich selbst des höchsten für würdig erachten (hegel). aus manchen werden helden und machtvolle potentaten, andere werden nie das gefühl sattsamer befriedigung oder fortzeugender erhabenheit verspüren - das alles ist zweitrangig. von bedeutung ist lediglich, daß ein jeder das dem menschen immanente licht des sich zunehmend erhellenden menschlichen geistes sein lebensstück weit mitträgt und an die nachfolgenden weiterreicht: dies ist seine möglichkeit, dies ist seine verpflichtung. das licht der vernunft in uns zu entfachen, zu nähren und zu vermehren, zu verteidigen wider den unverstand und die barbarei und künftigen menschengeschlechtern ungeschmälert zu erhalten, ist unser einziges recht der hoffnung auf dauerhaftigkeit und geistige fortzeugung. so ist und bleibt es die pflicht eines jeden einzelnen, den übergeordneten prinzipien mit dem ziel zunehmender geistiger erhellung zu dienen und zu partizipieren am großen und fortzeugenden denken der vernunftbegabten menschheit. in solchem bewußtsein ist der kämpfende mensch jederzeit bereit und in der lage, dem tod als dem spender erfüllender ruhe nach einem vollzogenen leben in würde zu begegnen und ihn als einen freund zu empfangen. 

ars moriendi (III):

kennen wir ein leuchtenderes beispiel der souveränen hinnahme des unvermeidlichen, denn uns der ehrwürdige sokrates beim empfang des schierlingsbechers gab, nachdem er noch mit freunden und schülern über die unsterblichkeit der seele diskutiert hatte - oder des epikuros in seiner zufriedenheit, noch auf dem totenbett eine begonnene diskussion zu ende gebracht und das philosophische problem gelöst zu haben? hebt es uns nicht das herz im busen, wenn wir vernehmen, wie cato der jüngere, begleitet von den erhebenden worten des phaidon oder gar seneca, im kreise seiner freunde nach ausgiebigem festmahl, in vollendeter freiheit und souveränität ihrem aufrechten leben ein ende bereiten, um der frevlerhand der tyrannis zu entgleiten? gleiches gilt für all jene bekannten und unbekannten kämpfer, soldaten, bushi, arbeitenden und kämpfenden menschen, welche, sei es aus einsicht in notwendigkeiten, sei es aus ehrgefühl und pflichterfüllung, auf ihren posten - anvertraut oder selbsterwählt - ohne sich zu erniedrigen, ausharrten bis zur letzten erfüllung. wie zweifelhaft, ja armselig nimmt sich dagegen unsere verzweifelte verkostung eines jeden augenblickes rein körperlicher funktion aus.

ars moriendi (IV):

lobend zu erwähnen und uneingeschränkt zu ehren sind jene kämpfer und wanderer in das zukünftige, welchen das privileg zubemessen wurde, zu sterben wie sie gelebt hatten. sie, die für ihre sache zu sterben wußten, wie sie für diese zu leben verstanden, pflanzen uns ein leuchtendes beispiel darin auf, daß ein in sich abgerundetes und volles leben in seiner letzten verwirklichung sich erhebt und selbst aufhebt zur apotheose und ohne zweifel und zögern die pforten des todes durchschreitet mit jenem gleichmut und jener heiterkeit, welche einzig ein im zielgerichten kampf verbrachtes leben als frucht einbringt. in ausführung und erfüllung seiner arbeit oder im kampf zu sterben ist wahrlich nicht das schlechteste für alle aufrechten und dem kämpfenden menschen eine letzte ehre und berufung. den freunden wie dem außenstehenden sind bei solch glückseligem ende trauer und klage versagt - hier sollen ob dieses privilegs zufriedenheit und genugtuung vorherrschen. 

"der tod ist der anfang der unsterblichkeit." (robespierre)

(wird fortgesetzt)

nekrolog zu ernst jünger:

nachdem der letzte meritaner in die reihen der großen armee eingetreten ist - dem gesamten menschengeschlechte zum verluste - fühlen sich im lande der schulmeister und kammerdiener zahlreiche unberufene und unbedarfte zum kommentar gzwungen: man vernimmt das leere gestammle ungedienter plattgeister, welche danach lechzen, am ruhme des kriegers teilzuhaben, wie auch das pseudokritische gejammere feistgewordener halbhumanistischer intelligenzia, deren dasein im mehrmaligen versagen vor der geschichte dieses jahrhunderts immer noch durch den schatten hitlers verdunkelt wird. die selbsternannten apologeten jüngers sind indes wohl zu schwach oder zu geistlos, um die substantiellen gedanken dieses ewigen kriegers fruchtbar-furchtbar zu ende zu denken oder gar in letzter konsequenz zum tragen zu bringen. lautet doch die philosophische fragestellung im gegensatz zur literaturhistorischen nicht, wie ernst jünger später zu seinen frühen schriften stand, sondern was uns diese schriften heute noch zu sagen haben. den gipfel der verirrung erklimmen jene halbherzigen schöngeister, welche uns jüngers "stahlgewitter" als anklage des krieges und die "marmorklippen" als antifaschistisch darbieten wollen. diese versuche bleiben konglomerate  zeitgeschichtlicher opportunität und verfehlen sustanz und intention jüngers weitgehend. diese liegen weiterhin im widerstand durch annahme des unabwendbaren und seiner überwindung durch den kämpfenden menschen, den kriegertypus und seine identität von denken und handeln, welche ein neues herrschaftszeitalter des menschlichen geistes eröffnet. es bleibt dabei, daß ein rein rationaler ansatz gegenüber jünger nur begrenzt fruchtbar ist und man diesem autor bereits nahestehen muß, um sich ihm zu nähern. in unserer zeit, deren potentielle träger der titanische menschentypus ist, muß man heraklide sein, um ein solches denken verstehend zu vollstrecken, ohne es bereuen zu müssen.

(beitrag zeit februar 1998)