bushi-do und zen

kämpfer, krieger, amazone, auf dir lastet die verantwortung: die verantwortung für das ganze, die verantwortung für das fundament menschlichen daseins, die verantwortung für das kommende, das zukünftige, das bessere. dein weg muß jedem einzelnen deines umfeldes und soll dem gesamten menschengeschlechte vorbild sein in persönlichem lebenswandel, in gesellschaftlicher haltung, in den tugenden des kampfes. übe dich deshalb unentwegt in den tugenden des bushi-do, in gerechtigkeit, tapferkeit, großmut, höflichkeit, wahrhaftigkeit, loyalität und ehre. sokrates der ehrwürdige wußte der gerechtigkeit und der tapferkeit noch besonnenheit und weisheit zuzufügen und über allem thront als unhintergehbare voraussetzung des animal rationale die dem menschen inhärente vernunftbegabung.

zur gewalt:

"die gewalt muß man aufsuchen, sich mit ihr vertraut machen, ihre macht entdecken, ihre mittel, ihren nutzen, ihren reichtum; erst nach einer langen verlobung mit ihr können wir sie schließlich der herrschaft unseres ichs unterwerfen und so als freie männer durchs leben gehen." (alfredo tucci)

dem wahren kämpfer gilt die anwendung der gewalt als ultima ratio, als letztes notwendiges mittel der dezision, als äußerste möglichkeit der eröffnung neuer und fortzeugender machtverhältnisse nach ausschöpfung aller versuche gütlicher bereinigung. der wahre kämpfer erachtet jede phase der gewaltanwendung als einem schiffe gleich, welches um sich den weg zu bahnen, notwendigerweise die wellen spaltet, indes diese sich bei fortsetzung deselben auch wieder schließen läßt. die anwendung der gewalt durch den wahren kämpfer ist wohldurchdacht, sie ist durch die jeweiligen anforderungen und gleichfalls temporär begrenzt, sie dient fortzeugenden zielsetzungen und der eröffnung neuer lösungsansätze durch eine vorläufige verschiebung der machtverhältnisse. hierbei ist der kämpfer nicht durch moralismen, nicht durch persönliche ansichten oder gesellschaftliche konventionen, also nicht durch die moralischen größen "gut" und "böse geleitet, sondern handelt rein funktional und der situation angemessen, d.h. seine bezugsgrößen lauten "richtig" und "falsch"; gleichermaßen darf er keiner verführung durch persönliche vorlieben und wünsche erliegen. der kämpfer hat die ordnung als seine lebensform gewählt, zu ihrer gestaltung bedarf er der akzeptanz der gewalt als eine ihm und allen lebewesen gleichermaßen innewohnende wie in die hand gegebene potenz; sinn- und fruchtlos ist es, dieses gewaltpotential zu leugnen: der kämpfer muß es anerkennen, akzeptieren, handhaben, zähmen, einsetzen und nach regeln gebrauchen. durch ständige übung, konzentration und hingabe an seinen lebensstil als kämpfer, d.h. seiner mehrung und vervollkommenung von mut, tapferkeit, respekt, besonnenheit, geduld, ruhe und weisheit im einklang mit der ihm eigenen wesenheit, gelangt er zu einer geordneten, positiven und fruchtbaren einhegung seiner energien in selbstkontrolle und selbstbeherrschung, in ruhe und seelenfrieden und dadurch zur beherrschung der möglichkeiten praktischer anwendung auch der äußersten maßnahmen. die rationale, besonnene und beherrschte anwendung von gewalt als letztem mittel nach maßgabe der erfordernisse und der gesetze ist gleichermaßen pflicht und recht eines jeden freien menschen, kämpfers, bürgers; sie bedarf der anerkennung und geistigen bewältigung und muß in permanenz geübt und veredelt werden - veredelung der persönlichen handlungspotentiale ist veredelung des charakters und somit zunehmende veredelung des menschen in der welt.

zur form:

ich fasse hier den begriff der form in anlehnung an aristoteles und hegel als zur wirklichkeit gebrachte, in äußerlichkeit übertragene, d.h. bereits geformte inhalte (prinzipien, konventionen), im gegensatz und in abgrenzung zu den ungeordneten, als bloße möglichkeit vorhandenen, noch variablen, wandelbaren inhalten. die form als festgelegter und festgestellter inhalt wird so als gestaltgewordene geistigkeit dem kämpfer zur persönlichen haltung und verpflichtend im vollzug. sie gewinnt somit für den kämpfenden menschen den charakter des ordnenden und prinzipiellen. 

diese art von form steht für den kämpfer vor und über den inhalten, sie ist existent neben ihnen, sie überdauert deren aushöhlung. mitnichten nur äußerer schein oder gar substanzlos, ist sie bei zielgerichteter ausbildung dem einzelnen charakter wie auch dem gesellschaftlichen ganzen ein bindendes, verbindendes, verpflichtendes, konsenserhaltendes - kraftvoll auch in ihren repressiven und sanktionierenden ausprägungen. so vermag die form den wandel der inhalte, deren wechselnde schwerpunktsetzungen und vielfalt, ihren aufstieg und niedergang in feste bahnen der kontinuität zu zwingen, das individuum anzuleiten, die gesellschaftlichen widersprüche zu glätten und den menschen selbst in situationen der äußersten auseinandersetzung an seine verpflichtungen als animal rationale zu gemahnen. form weist das entfesselte individuum in die schranken eines übergeordneten wertekonsenses und ist somit natürlich nicht inhalts- und substanzlos, doch im gegensatz zu beliebigen inhalten muß die form, um anerkannt zu werden, auf ein einer gemeinschaft allgemeines und objektives rekurrieren - ihre werte liegen zugrunde, sie haben oft ehrwürdige tradition und dienen der ausbildung und erziehung, der charakterformung und haltung des vollwertigen menschen als mitglied einer gemeinschaft, als glied des menschengeschlechts. die form als einhaltung eines wertekanons ermöglicht dem kämpfenden menschen noch im äußersten, in niederlage und untergang seine haltung zu überprüfen und seine würde, seine ehre, seinen stolz als mensch, d.h. als mit vernunft und bewußtsein ausgestattetes wesen zu wahren.

der wert der form liegt dem kämpfer in ihrem praktischen vollzug als ein die gegensätze der inhalte übergreifenden konsens der tat, der handlung. form läßt sich herstellen und erzwingen (z.b. im repressionsapparat der armee) außerhalb jeder sonstigen übereinkunft und dient dem kämpfenden menschen als letztes bollwerk gegen die zügellose vernichtungskraft, die ausufernde barbarei.

zur höflichkeit:

eine der vornehmsten förmlichkeiten ist ohne zweifel die ausübung der höflichkeit. ich spreche hier nicht von der zuvorkommenden höflichkeit eines mannes gegenüber einer dame seines herzens - hier schwingen emotion und sexus ihr szepter und erlauben dem liebenden jede form der zurückhaltung und unterwerfung, welche ihm zur erreichung des zieles seiner liebe auch im angesicht einer befremdeten öffentlichkeit angemessen erscheint (ein schleier notwendiger und verzeihlicher torheit, wie es erasmus von rotterdam darlegt) - sondern von der formellen höflichkeit des kämpfenden menschen innerhalb des gesellschaftlichen und politischen raumes. brecht sah in ihr eine subtile form der verachtung, was sicher seiner persönlichen bürgerlichen position entsprach und einen teil unserer bedauerlichen gesellschaftlichen wirklichkeit anspricht. alleine er bescheidet sich zu sehr um eines bon mots willens. dem kämpfenden menschen ist die förmliche höflichkeit wie alle tat letztlich ausdruck seiner stärke und macht, seiner rechte, seines geistes, eine manifestation seines willens, zu geben, was er auch verweigern könnte - hierin mag er seinen berechtigten stolz befriedigt sehen; da aber eine der wichtigsten pflichten des kämpfenden menschen die zielgerichtete politische tätigkeit im öffentlichen raum ist, bedarf er der formalen höflichkeit gegenüber jedermann zur herstellung von übereinkunft, kompromissbereitschaft und ergebnisorientierter problemlösung (vgl. yamamoto tsunetomo im hagakure). hierbei dürfen persönliche zu- oder abneigungen keinerlei relevanz erlangen - der kämpfende mensch hat als der vernunft verpflichtet einzig die übergeordnete politische sache zu berücksichtigen. persönlich dient ihm die höflichkeit zudem als eine form der gewinnung von abstand zum gemeinen, unedlen, niederträchtigen. eine mißachtung oder gar aufhebung dieser verpflichteten formalien würde eine schranke zur barbarei niederlegen.

zum großmut:

sehr richtig wird im bushi-do unterschieden (nitobe inazo) zwischen dem seelischen gefühlszustand, welcher sich in mitleid und barmherzigkeit ausdrückt, und als alle menschen egalisierend (schopenhauer) auch dem schwachen ansteht, und dem als dezision geistigen akt des großmuts, den nur der starke aufgrund seiner situationsbedingten macht auszuüben in der lage und durch vernunftgeleitete ethische einsicht zu vollziehen verpflichtet ist. auch hier bewegt sich der kämpfende mensch im öffentlichen raum unter politischen prämissen und hat persönliche emotionen zurückzustellen: seinen stolz und seinen siegesrausch mag er durch die möglichkeit spendender macht abgegolten sehen. der großmut stellt dem kämpfenden menschen ein kapital dar, welches eingezahlt wird auf künftige befriedung und politische übereinkunft - er muß vollzogen werden an jedermann, nachdem die kampfsituation entschieden und die machterhaltenden politischen maßnahmen durchgesetzt sind.

zum stolz:

zu oft dient das argument des persönlichen stolzes der aufwertung infantiler törichter eitelkeiten, der rechtfertigung der uneinsichtigen, dem verbergen persönlicher schwächen - schlechthin als ideologie unausgereifter charaktere, welche sich nicht befähigt sehen, die herausforderungen des lebens auch unter widrigkeiten anzunehmen und sich im streite zu entäußern. in den winkeln seiner ausreifenden persönlichkeit sei auch dem kämpfer sein persönlicher stolz auf seine leistungen, seine erfahrungen, seine bildung und ausbildung, seine kampfkraft, seinen lauteren charakter und anderes mehr, als notwendig und untadelig zugestanden. auch mag er im persönlichen händel seine ehre und seinen stolz verteidigen bis zum äußersten, indes ist der kämpfer im öffentlichen raum als polit verpflichtet, seinen stolz darin zu sehen, mit dem mute eines löwen die an ihn herantretenden herausforderungen anzunehmen und selbst unter persönlicher erniedrigung im dienste übergeordneter politischer zielsetzung zu bewältigen. ruhm und stolz des kämpfers ist hier das bestehen des kampfes auch unter persönlich widrigsten bedingungen. hierbei darf es ihm nicht um beifall, zustimmung oder verständnis außenstehender gehen, sondern einzig um zielgerichteten einsatz seiner kampfkraft im dienste der vernunftherrschaft. so dient er gleichzeitig der übergeordneten sache und sich selbst durch zuwachs an erfahrung, selbstbeherrschung, bescheidung und willenskraft.

über das schweigen:

vortrefflich beschreibt sidonius apollinaris die stimmung beim mahle am hofe des gotenkönigs mit den worten: "man schwieg, oder sprach über ernsthaftes" - wobei auch die durch den könig gesetzte priorität offensichtlich wird. da dem schweigen im gegensatz zum verstummen eine gezielte und bewußte willensentscheidung vorausgeht, es somit bis zu seiner äußersten form, der inneren einkehr, ein aktives darstellt, steht es dem kämpfenden menschen als verpflichtende und ihn ehrende eigenschaft an. als ein akt, welcher situationsbedingt einerseits reflexion voraussetzt und andererseits basis jedes tieferen denkaktes und jeglicher sammlung zum seelenfrieden ist, kommt dem bewußten schweigen geistige substanz zu. das schweigen bereitet somit den boden der tat und des friedens - wußte doch schon der spartanische gesetzgeber lykurgos zu sagen: "die nicht viel reden brauchen nur wenige gesetze". indes haben der populismus der parteien und mediale ochlokratie die menschliche gesellschaft einerseits unter unsäglichen lärm gesetzt, derweil sie andererseits die massen dazu verführen, erregen und ermutigen, die unglaublichsten plattheiten und individuellen unsinnigkeiten zu artikulieren und via internet in "echtzeit" über den ganzen gequälten globus auszubreiten. diesen traurigen zustand vieler bürgerlicher individuen durch erziehung und geistesbildung auch innerhalb der modernen kommunikationsgesellschaft und unter selbstverständlichem rückgiff auf alle zur verfügung stehenden kommunikationsmittel zu mildern und zu korrigieren, kann als eine der vornehmen aufgaben des kämpfenden menschen bezeichnet werden. hier muß das vorbild gelebter ruhe und die praxis der kontemplation greifen und zu tieferer gelassenheit führen - doch solches bleibt innerhalb individueller beziehungen und einflußmöglichkeiten.

es bleibt die frage nach der beruhigung der massen, denn daß der mensch im alltagsleben durch wissen und einsicht von überflüssiger artikulation absehen wird, erscheint eher unwahrscheinlich. hier könnte vorübergehend ein passives - der akt des verstummens - greifen. ein solches verstummen kann durch kollektive reflexe wirksam werden; so z.b. als geistiger erschöpfungszustand und resignation in der vielschichtigkeit der modernen gesellschaft individuell zu bestehen oder als kollektiv gegen die wirren der zeit anzukämpfen, sowie auch in konfrontation mit dem unsagbaren, überwältigendem, dem schrecklichen, dem grauen, dem hauch des todes und schatten des dunklen. die gezielte schaffung der stille durch verstummen als eine mögliche voraussetzung und gelegenheit zum bewußten akt fruchtbaren schweigens im übergang zu gesteigerter geistiger erkenntnis, bleibt dem kämpfer unter maßgabe der gesetze vorbehalten. 

vom zorne (I):

die sich steigernde dynamik unserer zeit scheint in ihren stärksten ausprägungen zur ziellosen raserei zu werden und damit den sieg des kämpfenden menschen zu begünstigen, wenn nicht gar notwendig einzuleiten - wünschen die söhne und töchter des ares doch keine befriedigung ihrer triebkräfte und zielsetzungen in letztendlicher befriedung, sondern ungehemmte energieentäußerung in permanenter herausforderung und sorgsam gepflegten zorne als jene äußerste revolutionäre tätigkeit, welche selbst noch jenen verbleibt, denen die idealismen vergangener tage schal und die menschentaten zweifelhaft geworden sind. der kämpfende mensch indes ist ein schöpfer aus dem rationalen, dem durch verstandeskraft entwickelten, sorgsam geleiteten und stets zum gezielten abruf bereiten zorne. dieser zorn gleicht nicht dem blinden, ungerichteten wüten, er entspringt nicht dem alles zernagenden gram, der ungezügelten gier oder der verheimlichten eifersucht und er endet nicht im heillosen jähzorn wider schamlose anmaßung oder unbotmäßige herausforderung. nahe kommt ihm jener zorn, den josef nyary in seiner allegorie als den wilden und grobschlächtigen bruder des ruhigen, gediegenen und kraftvollen mutes vorstellt - beide söhne des stolzes - und welcher dem kind des mutes und der zuversicht - tapferkeit mit namen - das zweischneidige schwert als gabe in wiege legt. der zorn mag wohl auch der vater des hasses und der rache sein - welcher vater konnte sich seine kinder je aussuchen? - indes zählt für den kämpfenden menschen vorrangig seine bruderschaft zum mute und seine sohnschaft zum stolze, womit er zur politischen kraft und somit zum potentiellen beförderer und vollbringer machtvoller tat und gerechten ausgleiches avanciert. dem kämpfenden politen ist er der zorn wider ungerechtigkeit und lüge, habgier und geiz, kleinlichkeit und irrationaler borniertheit. es ist jener zorn, welcher als kraft des negativen (hegel) notwendig wird, wenn die dinge zunehmend ins wanken geraten und der entscheidung bedürfen um endlich zu einer neuen ordnung formiert und gesetzt zu werden. es ist der langfristig angelegte und rational agierende schöpferische zorn, die antriebskraft zu notwendiger veränderung, zur ultimativen überwindung des alten, vorhandenen, nicht mehr den erfordernissen der zukunft entsprechenden. ein vorgehen unter seiner hoheit ist zielgeleitet und planmäßig, seine erruptive entäußerung im kampfe politisch forciert, militärisch abrufbar, kalt, distanziert und vollstreckend, jederzeit vorhanden und in seinen kraftgraden manipulierbar.

vom zorne (II):

indes sind auch jene nicht zu unterschätzen oder gar zu verachten, welchen der zorn zum ungerichteten wüten, zur triebhaften raserei, zum ungehemmten berserkertum sich steigert. diese frönen dem zorne durch haß und rachsucht, ihnen wird kämpfertum zur re-bellion, zum rückfall in einen persönlichen permanenten kriegszustand, denn sie haben den glauben an den menschen abgelegt und selbst die verzweiflung - einst frucht ihrer ohnmacht und wurzel ihrer wut - kann sie nicht mehr erreichen. sie huldigen den kriegs- und rachegöttern, welche die ungezügelte zornestat, den ausweg der gewalt als letzte aufrichtende kriegerische wehr vor die erzwungene untätigkeit des individuums setzten, daß es im jähzorn zumindest noch seine eitelkeit befriedige. ihnen ist der zorn ein sakraler ausgleich für verlorene ideale und verweigerte macht, er vereinigt sie unter den sakramenten einer religiosität des destruktiven - und genau unter dieser maßgabe und zielsetzung können sie der progressiven sache als stoßtrupp politisch und militärisch dienstbar gemacht werden. 

(wird fortgesetzt)